Hochstammobstbäume

Kostbares Kulturgut

Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, im Oberbaselbiet der 60er-Jahre. Auf unseren Feldern wuchsen Futter für die Tiere, Getreide und Kartoffeln. Und viele Obstbäume. Früchte und Nüsse – sie waren nicht nur eine willkommene Abwechslung auf unserem Teller. Ihr Verkauf brachte auch dringend benötigtes Geld für Investitionen und Reparaturen - und auch mal ein Extra für uns Kinder, die wir schon früh auf der Leiter standen. Hilfe bei der Ernte kam auch von Verwandten und Freunden, die ihren ‘Lohn’ in Naturalien bezogen. Denn Lebensmittel waren damals teuer.

Es waren die Römer, die die Obstbäume aus Asien nach Europa brachten. Später wurden Obstbäume vor allem in den Klöstern kultiviert, ab dem 15. Jahrhundert auch in weltlichen Gärten. Ab dem 17. Jahrhundert wurden sie ausserhalb der Stadtmauern gepflanzt, vor allem entlang der Wege und auf Allmenden. Unter und zwischen den Bäumen wuchs oft Getreide, erst mit dem Aufkommen der Milchviehhaltung kam Gras zum Zug. Das typische Landschaftsbild der Streuobstwiesen entstand.

Im 19. Jahrhundert wurde Obst als Handelsware interessant. Verwertungs-, Transport- und Lagermöglichkeiten wurden professionalisiert. Der Obstanbau erlebte einen wahren Boom. 1969 schätzte man den Bestand auf 8,5 Millionen Bäume, 1950 auf 15 Millionen!

Dann wendete sich das Blatt. Millionen vom Bäumen fielen dem Bau von Häusern und Infrastruktur zum Opfer. Freunde und Verwandte fuhren in den Ferien vermehrt weg, es fehlten die Erntehelfer. Der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft standen die Bäume im Weg. In den Läden gab es mittlerweile Obst aus allen Ländern, meist billiger als das einheimische. Und es gelang die Züchtung von niederen Baumformen, die eine maschinelle Ernte und einfacher Schutz vor Hagel und Schädlingen erlauben. - Im Jahr 2000 wurde der Bestand noch auf 3 Millionen geschätzt.

Mit dem Verschwinden der Obstbäume verlor nicht nur das Landschaftsbild. Auch viele Tierarten wurden ihrer Lebensgrundlage beraubt. Rund tausend Arten von Insekten, Spinnentieren und Tausendfüsslern wurden in Hochstammgärten festgestellt. Dazu kommen Kleinsäuger und Vögel, ein Fünftel unserer Brutvögel lebt dort, so auch Rotkopfwürger, Gartenrotschwanz oder Steinkauz, die heute kaum mehr zu finden sind.

Doch es gibt wieder Hoffnung. Seit 2011 steigt der Bestand, wenn auch bescheiden. Vielleicht, weil der Bund nun Prämien für die Bäume zahlt. Oder weil die Nachfrage nach Hochstammobst steigt. Oder weil einige den Wert für die Artenvielfalt erkannt haben. Gerade für Biobauern zählt dieser Aspekt, hilft diese doch, Schädlinge in Grenzen zu halten.

Nicht zuletzt werden in Gärten wieder vermehrt Hochstammbäume gepflanzt. Denn sie bieten den angenehmsten Schatten in der Sommerhitze, sind ein ökologischer Hotspot – und zu jeder Jahreszeit eine Prac

Mario Knecht Gartengestaltung Hochstamm