Mönchsgrasmücke

Kleiner Vogel – grosse Stimme

Unüberhörbar schallt ihr melodiöser Gesang durch unsere Gärten: Die Mönchsgrasmücke ist wieder da. Sie war letztes Jahr zum ersten Mal Gast bei uns, sang ihre Lieder im efeuumrankten Zwetschgenbaum. Die Winterstürme haben den Baum gefällt, den Vogel scheint dies nicht zu stören. Mal pfeift er aus dem Rosenbusch, dann wieder vom Apfelbaum und vom Kirschenbaum.

Die Mönchsgrasmücke ist eben ein anpassungsfähiger Vogel. Sie ernährt sich von Spinnen und Insekten, aber auch von Beeren. Sie bevorzugt Wildhecken und alte Bäume, kann aber ebenso in Siedlungsräumen und Stadtparks leben. Nicht grösser als ein Spatz, ist sie in ihrem graubraunen Gefieder schwer zu sehen. Die namensgebende Kappe ist beim Männchen schwarz, beim Weibchen rotbraun. Ihr Gesang ist vielfältig und fröhlich, und, so lese ich in verschiedenen Medien, sie soll andere Gesänge und Geräusche imitieren können.

Die Reise ins Winterquartier richtet sich nach der Sommerresidenz. Im Süden Europas lebende Vögel fliegen nur kurze Distanzen oder bleiben an Ort, während ihre Artgenossen aus den nördlichen Ländern bis südlich der Sahara ziehen. Die mitteleuropäischen überwintern rund ums Mittelmeer und neuerdings auch auf den britischen Inseln, wo Winterfütterung Tradition hat. Bereits verbringen einige den Winter hier.

Ich freue mich, dass die Mönchsgrasmücke wieder da ist. Denn ich habe den kleinen Vogel ins Herz geschlossen. Schuld daran ist eine Erzählung von Franz Hohler. Der Schweizer Schriftsteller, der aus Alltäglichem wunderbare Geschichten macht, berichtet darin über einen Mann, der jeden Frühling auf ‚seine‘ Mönchsgrasmücke wartet. Und über diesen Vogel, der immer wieder in den Garten zurückkommt, ein Nest baut, Junge aufzieht und zu gegebener Zeit des Nachts die Reise ins Winterquartier antritt. Wie Hohler dies beschreibt – man kann nicht anders, als den Vogel zu lieben.

Die Geschichte von Franz Hohler hat kein Happy End. Bei der letzten Rast vor ihrer Ankunft im Garten übersieht die Mönchsgrasmücke einen Waldkauz. In der Realität schaut es für den Vogel besser aus. Er gilt als nicht gefährdet, der Bestand, so schreibt die Vogelwarte, nimmt sogar leicht zu. Ob dies daran liegt, dass er weniger oder anders wegzieht oder weil er anspruchslos ist, ist nicht bekannt.

Was immer der Grund sein mag, es ist einfach schön, dass die Mönchsgrasmücke hier ist. Und dass wir uns für einmal keine Sorgen um die Zukunft einer Art machen müssen.

Moenchsgrasmuecken Simon Keller m Seltisberg BL 3 5 2021