Herbst - Mut zur Unordnung

Der Sommer ist vorbei. Vorbei sind die lichten Tage und die lauen Nächte. Fort sind die Schwalben, die uns Tag für Tag mit ihren Flugkünsten und ihrem fröhlichen Gezwitscher unterhalten haben. Verstummt die Grillen, deren Zirpen an die Ferien in der Provence erinnerte. Verschwunden der Igel, der abends laut schmatzend das Katzenfutter verschlang, das der Mensch ihm bereitgestellt hatte, weil der Igel noch so klein war.

Der Sommer ist vorbei. Nebelverhangen ist nun der Himmel, kühl sind die Temperaturen, kurz die Tage: Der Herbst ist da. Er hat aus dem blühenden, lebendigen Garten ein verblühter, verwelkter gemacht. Doch noch immer gibt es einiges zu sehen. Bunte Blätter tanzen im Wind. Knallrot leuchten die Hagebutten. Da und dort blüht noch eine Rose, stecken Ringelblumen und Borretsch ihre Köpfe in die Luft. Ihre Farben strahlen besonders intensiv bei diesem Licht. Die Spatzen gehen ihrem gewohnten Treiben nach. Meisen, Buchfinken und Rotkehlchen kommen auf der Suche nach Futter im Garten vorbei. Sie finden es in der Wildhecke, aber auch im Verblühten und Verwelkten. Und während der Mensch die letzten Tomaten und Zucchetti erntet und Rüebli und Randen ins Trockene bringt, schlüpfen Igel und Insekten in ihr Winterquartier, unters Laub, in den Stein- oder Asthaufen, ins Verblühte und Verwelkte.

Das Verblühte und Verwelkte, das des Menschen Auge so stört und ihn zum ‚Aufräumen‘ veranlasst, es ist die Wiege für neues Leben, für Schmetterlinge, Käfer, Insekten, Spinnen – kurz für alles, was nächstes Jahr fliegen und kriechen soll. Das Verblühte und Verwelkte stehen lassen, das kostet uns Menschen viel Mühe. Mühe, die sich lohnt.

Denn wenn eine Kohlmeise kopfüber Kernen aus der Sonnenblume pickt oder Frost und Schnee aus dem Verblühten einzigartige Kunstwerke schaffen, dann wird mir wieder einmal bewusst: Die Natur hält Wunder und Schönheit zu jeder Jahreszeit bereit. Wir Menschen müssen sie einfach zulassen.

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