Reges Treiben im Winter

Der Baum ist einfach zu gross. Jetzt, da die Sonne so tief steht, lässt sein dichtes Efeukleid keinen Sonnenstrahl mehr in die gute Stube. Höchste Zeit also, ihn einmal zurückzuschneiden.

Wenn da nur nicht all die Vögel wären, die sich im Baum eingenistet haben. Die hier Sturm, Schnee und Kälte trotzen. Ihretwegen verzichte ich auf die Sonne – sie danken es mit viel Spektakel: Spatzen plustern sich in der Sonne auf, fliegen aufs Dach, holen sich Futter bei Nachbars Hühnern. Eine Blaumeise pickt an den auf dem Gartenhag aufgesteckten Äpfeln, eine andere frisst, mit dem Rücken zum Boden, an einem Meisenknödel. Ein Rotkehlchen lässt sich vom Ast auf den Boden fallen, pickt ein paar Samen auf, hüpft wieder zurück auf den Baum. Eine Kohlmeise bedient sich an den vom Menschen aufgebrochenen Baumnüssen. Mit einem Fuss hält es das Nussteil fest, pickt es leer, fliegt davon. Es ist ein Kommen und Gehen, ein Gepiepse und Gezwitscher.

Dann, plötzlich, ist es still, kein Vogel ist mehr zu sehen. Eine Katze kommt des Weges, schaut sich um, verschwindet durchs Katzentürchen ins Haus. Und flugs sind die Vögel wieder da.

Die Sonne geht hinter dem Wald unter. Langsam wird es ruhig um den Baum. Die Vögel verschwinden im Efeu. Noch einmal geht ein heftiges Zittern durch die Blätter – der Amselmann kommt nach Hause. Er, der am Morgen als erster den Baum verlässt, hüpft nun von Ast zu Ast, schaut aufmerksam nach allen Seiten. Fast scheint es, als würde er kontrollieren, ob alle da sind. Ein kurzes Gezwitscher, dann schlüpft auch er ins grüne Blättermeer.

Es ist dunkel geworden, der Mond geht auf. Kein Ton dringt aus dem Baum, nur ab und zu ein leises Rascheln. Ob die Vögelträumen?

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