Spinnen

Leben im seidenen Netz

Das Spinnennetz schimmert feucht in der Morgensonne. Wie von einer Maschine gewoben, hängt es zwischen zwei Kohlköpfen. Ein Meisterwerk, wie es nur die Natur hervorbringen kann. Die schwarz-gelb gestreifte Spinne sitzt mittendrin. Sie sieht aus wie eine Wespe und heisst auch so. Einst nur im Mittelmeerraum zuhause, wagt sich die Wespenspinne im sich erwärmenden Klima nun nach Norden vor.

Viel häufiger finden sich bei uns aber die Gartenkreuzspinnen. Ihren Namen verdanken sie hellen Punkten, die auf ihrem Rücken ein Kreuz bilden. Sie werden bis zu 2 cm gross und passen ihre Farbe der Umgebung an. Ihre Netze sind rund. Nicht einmal eine Stunde brauchen sie, um sie zu spinnen. Dabei fressen sie das alte auf und verwenden es gleich wieder, teilweise noch unverdaut. Bis zu sieben verschiedene Fadenarten kann das Weibchen spinnen, fixierende, stabilisierende, klebrige – für jeden Bedarf. Denn das Netz ist Wohnstube und Jagdgebiet zugleich, muss der Spinne Schutz bieten und Insekten festhalten. Und dabei nicht kaputt gehen.

Spinnen machen keinen Schritt ohne ihren Faden. Er ist ihre Lebensversicherung, wenn sie aus dem Netz fallen oder flüchten müssen. Der Faden ist aus Seide und viel stärker als alle menschgemachten Materialien. Diverse Firmen haben versucht, diese Seide nachzubauen. Sie sind alle kläglich gescheitert.

Im christlichen Glauben stehen Spinnen oft für den Teufel. In anderen Kulturen werden sie mit Weben in Verbindung gebracht. In der Mythologie war Arachne, altgriechisch für Spinne, eine hochbegabte und berühmte Weberin. Sie wurde von Athene zu einem Wettstreit herausgefordert. Und sie webte einen Wandteppich so perfekt, dass Athene ihre Niederlage eingestehen musste, das Werk zerstörte und vor Wut raste. Um dieser Wut zu entgehen, wollte sich Arachne erhängen. Doch Athene gönnte ihr nicht einmal den Tod. Sie verwandelte den Strick in ein Spinnennetz und Arachne in eine Spinne, die dazu verdammt war, bis in alle Ewigkeit zu spinnen. Bei Germanen und Alemannen standen Spinnen für Schicksalsweberinnen. Diese konnten nicht nur einzelne Schicksale verweben, sondern auch das Gestern mit Heute und Morgen.

Weit über 40‘000 Spinnenarten gibt es weltweit, und nur ganz wenige können dem Menschen gefährlich werden, in Europa keine einzige. Die Wahrscheinlichkeit, von einer Spinne gebissen zu werden, ist ausgesprochen klein, denn Spinnen sind Fluchttiere oder stellen sich bei Gefahr tot.

Für das Gleichgewicht der Natur sind Spinnen unabdingbar. Sie fressen Insekten und sind für Vögel eine begehrte Futterquelle. Mögen sie in den Augen des Menschen auch nicht die Schönsten sein, einen Platz in Haus und Garten haben sie dennoch verdient.